Zwei Perspektiven, ein Ziel - Anästhesiepflegende und ärztliches Personal im Dialog
Die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Anästhesiepflege und ärztlichem Personal in der Anästhesie ist essenziell für den Erfolg perioperativer Prozesse und die Sicherheit der Patient:innen. Doch wie sehen sich diese beiden Berufsgruppen gegenseitig?

Serie-Interview aus dem Anästhesie Journal 1-2025
Interview mit Dr. med. lsabel Marcolino
Isabel, warum bist du Anästhesistin geworden?
Mein beruflicher Weg zur Anästhesie ist das Ergebnis vieler Zufälle in meinem Leben. Schon immer hatte ich ein grosses Interesse an «intensiverer» Medizin, besonders an den Bereichen Physiologie und Pathophysiologie. Ursprünglich wollte ich Fachärztin für Pädiatrie werden und mich auf die Neonatologie mit Schwerpunkt lntensivmedizin spezialisieren. Doch im laufe meiner Ausbildung änderten sich meine Interessen hin zur lntensivmedizin für Erwachsene.
Da die lntensivmedizin in Deutschland eine Zusatzqualifikation nach einem Grundfacharzt-Titel erfordert, entschied ich mich für die Anästhesie. Während dieser Zeit entdeckte ich meine Leidenschaft für die Anästhesie, vor allem die Herzanästhesie und grosse operative Eingriffe. Nach meiner Weiterbildung erwarb ich schliesslich die Doppelqualifikation in Anästhesie und lntensivmedizin, eine Entscheidung, die ich nie bereut habe. Es ist faszinierend, wie ungeplante Zufälle und richtungsweisende Momente zu diesem erfüllenden Karriereweg führten - sogar ohne ein klassisches Bewerbungsgespräch!
Was schätzt du an deinen pflegerischen Kolleg:innen aus der Anästhesiepflege?
Ich habe grossen Respekt vor der Anästhesiepflege und schätze besonders ihre hohe fachliche Qualität und ihr Engagement für unsere Patient:innen. Ihr Organisationstalent ist beeindruckend, insbesondere wenn es darum geht, einen reibungslosen Ablauf im OP zu gewährleisten. Auch ihr hoher fachlicher Standard und ihre Loyalität zu unserem Institut sind von unschätzbarem Wert. Besonders bewundere ich, wie aktiv sie sich in die Weiterentwicklung unseres Instituts einbringen und stets bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit deinen pflegerischen Kolleg:innen Anästhesiepflege?
In unserem Institut basiert die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Die Anästhesiepflege ist ein gleichberechtigter und hochgeschätzter Partner in unserer Arbeit. Ich bin dankbar, dass wir am Spital Limmattal Pflege und ärztliches Personal unter einer gemeinsamen Führung vereinen konnten. Diese Struktur schafft eine einheitliche Ausrichtung, fördert die Zusammenarbeit und eröffnet enormes Potenzial für Innovationen.
Hast du bereits über die kontinuierliche Praxisentwicklung im Bereich der Anästhesiepflege gehört? Was denkst du darüber?
Wenn ich es richtig verstehe, geht es um die kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung der Anästhesiepflege - ein Konzept, das ich extrem begrüsse und wichtig finde. In unserer heutigen Zeit mit der rasanten Weiterentwicklung unseres Fachs ist es für mich eine unabdingbare Voraussetzung, um die Qualität hochzuhalten.
Was wünschst du dir für die Zukunft der Anästhesiepflege?
Mein Wunsch ist, dass die Anästhesiepflege ihren hohen Standard beibehält und weiterhin eine zentrale Rolle in unserem Fachbereich einnimmt. Ein pragmatischer und direkterer Bildungsweg könnte dazu beitragen, den Beruf attraktiver zu machen, auch für Quereinsteiger aus anderen Gesundheitsberufen oder aus dem Ausland. Ausserdem hoffe ich, dass die Anästhesiepflege selbstbewusst als ergänzender Partner des ärztlichen Teams auftritt. Entscheidend ist, dass wir weiterhin eng zusammenarbeiten und als Einheit auftreten, um die bestmögliche Versorgung unserer Patient:innen zu gewährleisten.
Interview mit Christine Berger Stöckli
Christine, warum hast du den Beruf der Anästhesiepflege gewählt?
Ich wollte mich beruflich weiterentwickeln. Besonders faszinierend fand ich das Setting in der Anästhesievorbereitung und im OP. Das schnelle Erfassen der Patient:innen und der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung innerhalb weniger Minuten haben mich beeindruckt. Die Vielseitigkeit der Anästhesie, die technische Komponente, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit dem anästhesieärztlichen Team, der grosse Kompetenzbereich und die damit verbundene Verantwortung sind ebenfalls Gründe, warum ich diesen Beruf gewählt habe.
Was schätzt du an deinen ärztlichen Kolleg:innen der Anästhesie?
Die kollegiale Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit deinen ärztlichen Kolleg:innen Anästhesie?
Wir arbeiten in gemischten Teams aus An- ästhesiepflegenden und Ärzt:innen, wobei Ausbildung und Erfahrung berücksichtigt werden. Einleitungen und Ausleitungen erfolgen stets im Zweierteam, meist bestehend aus einem Arzt oder einer Ärztin und einer Pflegefachperson. Bei weniger komplexen Fällen kann dies auch im Pfle- geteam durchgeführt werden.
Das Legen von Regionalanästhesien ist eine ärztliche Kompetenz, bei der wir als Pflegefachkräfte assistieren. Das eigenständige Führen einer Anästhesie gehört zu den Kompetenzen der Pflege, wird jedoch auch von Ärzt:innen übernommen. Kaderärzt:innen stehen dabei immer in Rufbereitschaft. Briefings, Debriefings, die Anwendung von «Closed Loop»-Kommunikation und die Möglichkeit, «Speak up» zu praktizieren, sind feste Bestandteile unseres Arbeitsalltags. Der Umgang ist stets freundlich und wohlwollend. Es herrscht ein Klima des Vertrauens .
Hast du bereits über die kontinuierliche Praxisentwicklung im Bereich der Anästhesiepflege gehört? Was denkst du darüber?
Ja, ich kenne das Konzept. Die Standards der Anästhesiepflege Schweiz sind von grosser Bedeutung. Sie legen die Grundlage für die professionelle und standardisierte Weiterentwicklung unserer Tätigkeit und sollten in möglichst jeder anästhesiologischen Abteilung implementiert werden.
Was wünscht du dir für die Zukunft für die ärztlichen Mitarbeitenden Anästhesie?
Ich wünsche mir, dass sie Zugang zu guten Aus- und Weiterbildungs- sowie Entwicklungsmöglichkeiten haben. Ausserdem sind Freude am Umgang mit Menschen, hohe Sozialkompetenz, Empathie und Professionalität wichtig. Eine fundierte Kenntnis des schweizerischen Gesundheitssystems sowie Interesse an Management und wirtschaftlichen Aspekten sollten ebenfalls gefördert werden.
Darüber hinaus wünsche ich mir eine Anerkennung der hohen Kompetenz der Anästhesiepflege, eine gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe und die Bereitschaft zur gemeinsamen Weiterentwicklung im Team.
Das Interview wurde in der Ausgabe März 2025 im Anästhesie Journal publiziert.
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