Ratgeber| 17.11.2020

E-Bike fahren – Gesunder Sport oder gefährlicher Spass?

Gesund und bewusst leben erfreut sich nach wie vor steigender Beliebtheit und lässt immer neue Trends entstehen.

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von Dr. med. Arby Babians

Dank unserem ungebrochenen Fitness-Eifer sind in den vergangenen Jahren beispielsweise die Verkaufszahlen von E-Bikes laufend gestiegen. Während diese Entwicklung aus Sicht der Volksgesundheit sehr erfreulich ist, bekommen wir in der Unfallchirurgie, oftmals die Schattenseiten dieser Tendenz zu sehen.

Ein immer grösser werdender Anteil der Bevölkerung ist nicht nur bestrebt, sich gesund und ausgewogen zu ernähren, sondern achtet darüber hinaus auf regelmässige Bewegung. Am Beispiel der E-Bikes lässt sich diese Entwicklung besonders gut beobachten: Während 2011 noch 50 000 motorunterstützte Fahrräder verkauft wurden, waren es 2019 schon rund 130 000. Die Zahl hat sich also in acht Jahren beinahe verdreifacht. Diese äusserst willkommene Entwicklung lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass das E-Bike eine Lücke für diejenigen Benutzer schliesst, die bislang ein rein muskelbetriebenes Fahrrad nicht in Betracht gezogen hatten.

Verhalten im Strassenverkehr

Die Unterstützung durch den Elektromotor macht Radfahren einerseits wieder attraktiver: Mit der richtigen Motoren-Einstellung kommt man trotz Unterstützung kräftig ins Schwitzen. Längere Strecken oder steilere Anstiege sind besser machbar, als mit einem klassischen Zweirad. Andererseits birgt die neu entdeckte Sportlichkeit auch Gefahren, zum Beispiel in Form von vermehrten Verkehrsunfällen.

Da es sich um noch relativ neue, unbekannte Verkehrsmittel handelt, sind die E-Bikes schwieriger zu handhaben: Die Geschwindigkeit ist höher und der Bremsweg länger als bei normalen Bikes. Besonders für ungeübte Sportler sind diese Eigenschaften oft schwierig einzuschätzen. Eine weitere Komponente für die Zunahme der Unfallzahlen ist schlichtweg die steigende Anzahl Verkehrsteilnehmer: Wenn es auf unseren Strassen immer dichter wird, steigt auch das Gefahrenpotenzial – vor allem wenn die Verkehrsmittel stärker und schneller werden.

Steigende Unfallzahlen

Als Folge davon landen nicht nur mehr Opfer von Unfällen mit E-Bikes bei uns im Spital: Immer öfter sind die Verletzungenmittel bis sehr schwer und teilweise sehr komplex. Vor allem in den vergangenen zwei Jahren versorgen wir im Spital Limmattal häufiger solche Patienten. Unsere Beobachtungen decken sich mit den aktuellsten Unfallstatistiken: Während es 2018 in der ganzen Schweiz zu 309 E-Bike-Unfällen mit Schwerverletzten kam, waren es 2019 bereits 355, was einer Zunahme von 15 Prozent entspricht.

Komplexe Brüche (Frakturen)

Eine der gängigsten Verletzungen im Zusammenhang mit Fahrradunfällen sind Knochenbrüche. Bei E-Bike-Fahrern sind diese umso folgenreicher: E-Biker sind üblicherweise schnell unterwegs und fallen oder kollidieren entsprechend mit grösserer «Gewalt». Erschwerend kommt hinzu, dass beiden erwähnten Brüchen häufig die Gelenke mitbeteiligt sind, da diese auf dem Fahrrad besonders exponiert sind. Betroffen sind dabei sowohl die unteren (Knie, Sprunggelenk) als auch die oberen Extremitäten (Ellbogen, Oberarm, Schulter).

Verletzungen der Weichteile

Je grösser die Kraft ist, die bei einem Unfall auf den Körper wirkt, umso wahrscheinlicher ist es, dass die Verletzungen weitreichender sind. Nicht selten führen darum diese sogenannten Hochenergie-Unfälle nebst den Brüchen an Knochen und Gelenken ergänzend zu Weichteilverletzungen. Offene Brüche, grossflächige Prellungen und Schürfungen/Ablederungen der Haut treten dabei genauso auf, wie die als Binnenläsionen bekannten Schäden an Meniskus, Bändern, Gefässen oder Nerven.

Behandlungsmethoden

Durch die zunehmende Komplexität der Brüche und der Beteiligung von Weichteilen werden grundsätzlich die benötigten Behandlungen komplexer und die Genesungszeiten länger. Die beiden Röntgenbilder eines komplizierten Bruchs des linken Ellbogens zeigen, welche ausgedehnten, chirurgischen Eingriffe nötig sein können, um die komplexen Verletzungen adäquat zu versorgen.

Die Mehrzahl dieser Verletzungen wird operativ behandelt. In den meisten Fällen sind es Gelenkbrüche, die anatomisch wiederhergestellt werden: Gelenke müssen «rund» laufen, da sonst das langfristige Risiko einer Arthrose, also einer Abnützung des Gelenks, besteht, was wiederum Bewegungseinschränkungen und Schmerzen auslösen kann. Je nach Lage (zum Beispiel Knie, Hüfte) können künstliche Gelenke (Prothesen) zum gewünschten Ergebnis führen. Allerdings gibt es auch Gelenke (zum Beispiel Ellbogen, Sprunggelenk), bei denen diese Option nicht dieselben Erfolgsaussichten hat.

Grundsätzlich versuchen wir, die Gelenke optimal zu rekonstruieren. Dafür muss meistens eine offene Operation durchgeführt werden. Nur so sind alle Frakturanteile genau sichtbar und rekonstruierbar. Sind viele gebrochene Einzelteile vorhanden, geht es vereinfacht gesagt um Folgendes: «aus 4 mach 3», «aus 3 mach 2» und schliesslich «aus 2 mach 1». Wir verwenden dafür die neueste Generation sogenannter winkelstabiler Implantate aus Titan oder Stahl. Diese erreichen die höchstmögliche Stabilität.

Ferner besteht die Möglichkeit, solche Eingriffe arthroskopisch unterstützt durch zuführen. Hierbei wird das verletzte Gelenk zusätzlich über eine minimalinvasiv (über kleine Hautschnitte) eingebrachte Kamera beurteilt. Ein 3D-Bildverstärker ermöglicht es uns, während der Operation dreidimensionale Bilder anzufertigen, um die Rekonstruktion vollumfänglich abzubilden. Zur Schmerzlinderung vor, während oder nach der Operation ist beinahe immer eine medikamentöse Begleitbehandlung notwendig. Diese fördert zudem die Wundheilung undwirkt sich somit günstig auf die Genesung aus. Das optimale Ergebnis erzielen wir dank der langjährigen und umfangreichen Erfahrung unserer Unfall-Chirurgen: Von den schweizweit insgesamt sieben Chirurgen, welche das «Zertifikat für komplexeGelenkchirurgie» der SchweizerischenGesellschaft fürAllgemeinchirurgie und Traumatologie (SGACT) erhalten haben, arbeiten zwei davon bei uns im Spital Limmattal.

Nachbehandlung

Um einen Wundinfekt zuverhindern, ist direkt nach der Operation eine regelmässige und penible Wundkontrolle und -pflege ausserordentlich wichtig. Hinzu kommt eine schnellstmögliche Mobilisation des betroffenen Gelenks mit den entsprechenden Muskelgruppen. In unserem hauseigenen Therapiezentrum erhalten Sie unter  physiotherapeutischer Anleitung genaue Instruktion für die Übungen sowie einen Trainingsplan für die kommenden Wochen oder Monate.

Damit die Nachbehandlung von Seiten der Patienten bestmöglich umgesetzt werden kann, legen wir ein besonderes Augenmerk auf eine umfassende und transparente Information und Aufklärung in allen Phasen der Behandlung. Dies istnotwendig, da nicht nur die körperliche Genesung berücksichtig werden muss, sondern allen falls auch private und berufliche Anpassungen vorgenommen werden müssen. Da jeder Fall anders gelagert ist, unterstützen wir Sie dabei persönlich und individuell. Darüber hinaus kontrollieren wir die ganzheitlichen Fortschritte unserer Patienten in engen, regelmässigen Kontrollen.

Autor
Dr. med. Dr. med. Arby Babians
Stv. Leiter Traumatologie
Stv. Leiter Chirurgischer Notfall
Leitender Arzt Traumatologie

Sekretariat Klinik für Orthopädie, Traumatologie & Handchirurgie
Urdorferstrasse 100
8952 Schlieren

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