Volkskrankheit Leberzirrhose
Von einer Leberzirrhose sprechen wir, wenn die Leber (meist) irreversible Schäden in Form von Vernarbungen erlitten hat. Dieser schleichende Prozess benötigt oft Jahre oder Jahrzehnte, da die Leber ein enorm regenerationsfähiges Organ ist. Diesen Umstand kennen wir bereits aus der griechischen Sage von Prometheus: Er wurde von Zeus bestraft und im Kaukasus an einen Felsen gekettet, wo ein Adler regelmässig ein Stück seiner Leber frass. Die Leber ist immer wieder nachgewachsen.
Dr. med. Stefan Tschopp
Wenn wir der Leber ein Stück entfernen, wächst dieses tatsächlich nach, was man sich in der modernen Leberchirurgie sowie in der Leberlebendtransplantation (Spende einer halben Leber) zu Nutze macht. Trotzdem können wir diesem lebenswichtigen Organ irreversible Schäden zufügen.
Ursachen und Therapieansätze bei Leberzirrhose
Ursache Alkohol
Die häufigste Ursache für eine Leberzirrhose ist Alkoholüberkonsum. Unter risikoarmem Konsum verstehen wir ein Standardglas (zehn bis zwölf Gramm Alkohol) pro Tag für die Frau resp. zwei Standardgläser für den Mann. Ein Standardglas entspricht einer Stange Bier oder einem Glas Wein. Zudem sollten mindestens zwei alkoholfreie Tage pro Woche eingehalten werden. In der Schweiz trinken vier Prozent aller Frauen und Männer ab 15 Jahren zu viel Alkohol (das heisst mehr als zwei Standardgläser pro Tag bei Frauen und mehr als vier Standardgläser pro Tag bei Männern). Bei einem totalen Verzicht auf Alkohol kann sich die Leber erholen, bevor es zu einer Leberzirrhose kommt (Vorstadium: Leberfibrose), ansonsten kann sich die Krankheit zumindest stabilisieren.
Ursache Übergewicht
Eine weitere häufige und stetig zunehmende Ursache für eine Leberzirrhose ist das Übergewicht. Aufgrund der engen Zusammenarbeit unserer Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie („Magen-Darm und Leber“) mit dem Adipositaszentrum bei uns am Spital Limmattal sehen wir zunehmend Patientinnen und Patienten mit einer Leberzirrhose, die einzig auf Übergewicht zurückzuführen ist. Dieses führt zu einer Verfettung der Leber, was wiederum in eine chronische Entzündung münden kann. Daraus entsteht zusammen mit dem Faktor Zeit die Leberzirrhose. Die einzige effektive Therapie ist in diesem Fall eine Gewichtsreduktion, welche zuweilen nicht anders als durch eine sogenannte bariatrische Operation (Schlauchmagen oder Magenbypass) erreicht werden kann. Es ist jedoch wichtig, dass die unterschiedlichen Möglichkeiten von Fall zu Fall individuell abgeklärt werden.
Ursache Infektionskrankheiten
Des Weiteren gibt es chronische Infektionskrankheiten der Leber, welche zu einer Leberzirrhose führen können, allen voran die chronische Hepatitis C. Man schätzt, dass etwa 0.5 % der Bevölkerung mit Hepatitis C infiziert sind. Leider weiss rund ein Drittel der Betroffenen nicht, dass sie infiziert sind, da oftmals spezifische Symptome fehlen. Risikofaktoren sind ein früherer intravenöser Drogenkonsum, der Empfang einer Blutspende vor 1992 sowie Piercings und Tattoos, welche unter nicht vollständig hygienischen Bedingungen verabreicht wurden. Glücklicherweise verfügen wir heute über Medikamente, die ohne relevante Nebenwirkungen die Hepatitis C in beinahe 100 % aller Fälle heilen können. Dies ist einer der grössten medizinischen Fortschritte der letzten Jahre.
Die chronische Hepatitis B ist in unseren Breitengraden viel seltener geworden, da seit 1998 breitflächig geimpft wird. Allerdings treffen wir im Spital Limmattal ab und zu Patientinnen und Patienten aus dem südeuropäischen Raum, aus der Türkei oder aus dem asiatischen Raum an, die mit einer chronischen Hepatitis B zu uns kommen. Eine bestehende Leberzirrhose ist in diesen Fällen keine Seltenheit.
Ursache Stoffwechselerkrankung
Nebst den ebengenannten Krankheiten, gibt es eine genetische Erkrankung, welche ebenfalls zu einer Leberzirrhose führen kann: Die sogenannte Hämochromatose ist eine Eisenspeicherkrankheit. Es erkranken beinahe nur Männer, da Frauen dank der Menstruation und dem damit einhergehenden Blutverlust über einen natürlichen Eisen-Regulator verfügen. Die einzige wirksame Therapie ist in diesem Fall ein regelmässiger Aderlass. Rechtzeitig angewendet, kann diese Massnahme eine Leberzirrhose verhindern.
Ursache Autoimmunerkrankungen
Autoimmunerkrankungen der Leber sind insgesamt sehr selten, jedoch bei Frauen häufiger als bei Männern anzutreffen. Die Autoimmunhepatitis, bei welcher sich das eigene Immunsystem gegen die Leber richtet, kann unbehandelt ebenfalls zu einer Leberzirrhose führen. Bei rechtzeitiger Diagnose können jedoch Folgeschäden verhindert werden.
Ein noch selteneres Krankheitsbild ist die sogenannte primär biliäre Cholangitis respektive Zirrhose, bei welcher sich das Immunsystem gegen die in der Leber vorhandenen Gallengänge richtet, was unbehandelt ebenfalls zu einer Leberzirrhose führt.
Weitere und weitaus seltenere Ursachen für eine Leberzirrhose sind etwa der Morbus Wilson (eine Kupferstoffwechselkrankheit), der Alpha-1-Antitrypsinmangel oder die primär sklerosierende Cholangitis, die mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen assoziiert ist.
Folgen der Leberzirrhose
Die Leberzirrhose kann zu diversen Komplikationen führen. Dazu gehören zum Beispiel Wasser im Bauch (Aszites), innere Blutungen aus Varizen (Krampfadern in der Speiseröhre oder dem Magen) oder die sogenannte hepatische Enzephalopathie - eine Ansammlung von Giftstoffen im Gehirn, die zum Leberkoma führen kann. Je nach Schweregrad der Leberzirrhose ist eine Transplantationsabklärung notwendig.
Fazit
Die Leberzirrhose ist eine Krankheit mit verschiedenen Ursachen. Häufig kann sie vermieden werden, falls eine chronische Leberkrankheit rechtzeitig erkannt wird. Als Faustregel gilt: Halten Sie Mass mit Alkohol, bewegen Sie sich regelmässig und achten Sie auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung. Ihre Leber wird es Ihnen danken.
Lassen Sie sich von ihrem Hausarzt beraten und bei Bedarf an einen unserer Spezialisten überweisen.
Dieser Artikel wurde am 03. September 2019 in der Limmattaler Zeitung publiziert.
Autor
Dr. med. Stefan Tschopp
Leiter Gastroenterologie/Hepatologie
Spital Limmattal
Sekretariat Gastroenterologie/Hepatologie
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