Basil Caduff
DER VOLLBLUTMEDIZINER GEHT BALD IN PENSION
LIMMIinside besuchte den Chefarzt Medizin in seinem Büro und befragte ihn zu seiner Pensionierung, über die Bündner Berge und die Zukunft des Limmi.
Herr Caduff, Sie gehen bald in Pension. Wann ist Ihr letzter Arbeitstag?
Ende August 2019. Ich wollte eigentlich auf Wunsch meiner Frau ein Jahr früher aufhören. Allerdings wäre dieser Zeitpunkt genau mit der Schlüsselübergabe des Neubaus zusammengefallen. Das ist zu viel Change. Und so darf ich noch beim Zügeln dabei sein.
Melancholisch?
Melancholisch würde ich nicht sagen. Es ist ein neuer Lebensabschnitt, den man planen muss. Aktuell ist alles klar vorgegeben, wie es läuft. Nach der Pensionierung sieht es ein bisschen anders aus. Ich werde mich sicher weiterhin medizinisch und anders engagieren, aber nicht in dem Ausmass wie jetzt.
Sie fühlen sich also noch frisch. Freuen Sie sich trotzdem auf den Ruhestand?
Gesundheitlich geht es mir glücklicherweise sehr gut. Nach über 38 Jahren Spitaltätigkeit wird der Abschied vom Berufsalltag schon ein spezieller Moment sein. Freuen ist wohl etwas übertrieben. Ich bin aber positiv gespannt darauf, was alles kommt.
Was werden Sie am ersten Tag der Pensionierung machen? Ausschlafen?
Keine Ahnung. Ich werde gewiss mit einem mulmigen Gefühl erwachen. Ich bin kein Langschläfer und werde wie immer aufstehen und joggen gehen.
Sie sind, wie man hört, aus dem Bündnerland. Von wo?
Ich wuchs in Disentis und Domat Ems auf und besuchte dort die Grund- und später in Chur die Mittelschule. Nach dem Abschluss der Matura studierte ich Medizin in Zürich und bildete mich in diversen Spitälern aus.
Gingen Sie dann wieder zurück?
Ja, nach einem Abstecher in die Anästhesie in Frauenfeld arbeitete ich als Gebirgsarzt bei der Rettungsflugwacht auf der Basis in Untervaz. Das war eine sehr spannende Zeit. Während meiner Ausbildungszeit in der Inneren Medizin in Chur und auch später leistete ich regelmässig Wochenend-Dienste bei der Rega.
"Die Arbeit des Chefarztes ist nur im Team erfolgreich. Viele müssen zum Erfolg und damit zum guten Ruf des Limmi beitragen."
Wann haben Sie das Bündnerland endgültig verlassen?
Ich habe es NIE endgültig verlassen, uuuu, nie endgültig!
Darum Ihr Bündner Autokennzeichen?
Das ist rein emotional. Ein bisschen Nostalgie muss sein, auch wenn es nur auf dem Schild ist.
Hatten Sie nicht ein schweres Herz, als Sie das Bündnerland verliessen?
Ein bisschen schon. Es war aber immer klar, dass dies der Weg ist. Ich dachte, dass ich eines Tages zurückkehren würde. Aber im Leben läuft es häufig anders, als man denkt. Nun bin ich seit 30 Jahren im Limmattal und bin sehr zufrieden.
Keine Sehnsucht oder Heimweh?
Ich bin sehr gerne in Graubünden. Es ist ein guter Ausgleich zum hektischen Alltag. Aber wir fühlen uns im Limmattal sehr wohl. Sicher werden wir bald vermehrt hinaufgehen. Aber der Lebensmittelpunkt ist hier unten.
Wie kamen Sie zur Medizin?
Es war mir schon früh klar, etwa mit 15, dass ich Medizin studieren wollte. Ich hatte Freude an den Naturwissenschaften, am Kontakt mit Menschen. Die Hotellerie war auch ein Thema. Mein Grossvater führte einen grossen Gasthof, und so erhielt ich schon früh Einblicke in diese Berufswelt. Aber ich entschied mich für die Medizin.
Was für Eigenschaften nützten Ihnen, als Sie in das temporeiche Zürich kamen?
Eine gewisse Gelassenheit, die mir meine Eltern mitgaben. Eine Bodenständigkeit, sich nicht zu schnell aus dem Konzept bringen zu lassen.
Sie zogen danach ins Limmattal. Wie kam es dazu?
Das war reiner Zufall. Als ich im Universitätsspital Zürich meinen Abschluss zum Facharzttitel hatte, war keine Oberarztstelle frei. Mein Ordinarius sagte mir, ich solle für 1–2 Jahre ins Limmi. So begann ich hier 1988 als Oberarzt. Nach zwei Jahren wurde ich der erste Leitende Arzt im Haus. Ich entschied mich deshalb, vorderhand im Limmi zu bleiben. Bald erhielt ich Angebote von diversen Spitälern für eine Chefarztstelle. Meine Frau wollte allerdings nicht zu weit in die Peripherie. 1994 wurde ich dann zum Chefarzt gewählt.
Somit hatten Sie keine höheren Ziele mehr mit der Karriere.
Mit dieser Karriere nein. Da ich nicht mehr an die Uni zurückkehrte, konnte ich keine akademische Karriere machen. Ich bin aber sehr zufrieden, wie es gelaufen ist. Als Chefarzt tragen Sie eine grosse Verantwortung. Bereitete Ihnen das schlaflose Nächte? In aller Regel schlafe ich sehr gut. Aber vor zirka 15 Jahren, als wir im Spital Limmattal anders als heute mit hohen Fallkosten zu kämpfen hatten, mussten wir fast 30 Mitarbeiter entlassen. Als damaliger Ärztlicher Direktor konnte ich vor allem in der geheimen Vorbereitungsphase mit niemandem darüber reden. Das war schlimm und brachte viele schlaflose Nächte mit sich.
Wie gehen Sie damit um, wenn Sie sehen, dass es bei Patienten dem Ende zugeht?
Man muss lernen, zu akzeptieren, dass das Leben endlich ist und Patienten sterben. Ich hatte mit dieser Akzeptanz nie ein Problem. Die ärztliche Tätigkeit ist nicht ein Kampf, den man verliert, wenn ein Patient stirbt. Bei weitem nicht. Es ist nicht die Aufgabe eines Arztes, immer gegen den Tod zu kämpfen, sondern auch die Menschen bis zum Tod zu begleiten.
Was fasziniert Sie am Beruf Arzt?
Es ist ein sehr abwechslungsreicher Beruf, bei dem man viel mit Menschen in verschiedensten Situationen zu tun hat. Wenn ich sehe, dass ich Menschen helfen und unterstützen kann, ist das etwas sehr Schönes und Befriedigendes.
Was macht das Pflegefachpersonal im Limmi aus?
Aus meiner Sicht ist unser Pflegefachpersonal überdurchschnittlich gut. Ich erhalte häufig Komplimente von Patienten. Die Pflege im Limmi ist mit Herz dabei und weiter entwickelt als in vielen anderen Spitälern.
Und was geben Sie den jungen Ärzten mit auf den Weg?
Das Weitergeben von medizinischem Wissen und ärztlichem Handeln im Allgemeinen ist eine wichtige Aufgabe eines Chefarztes. Bedeutend sind Eigenschaften wie Engagement, das Interesse an den Menschen, Zuverlässigkeit, Sorgfältigkeit sowie die Liebe zum Detail.
Wo sehen Sie das Limmi in zehn Jahren?
Das Limmi ist sehr gut aufgestellt. Man hat immer wieder die richtigen Entscheide getroffen, zum Beispiel hinsichtlich der Grösse, des Ausbaus, der Innovationen, und es hat nie allzu viele Experimente gemacht. Das Limmattal wächst und der Bedarf an einem Spital ist ausgewiesen. Dieses besitzt eine optimale Grösse, hat ausgezeichnete Mitarbeiter und ist verkehrstechnisch sehr gut angebunden. Ich bin überzeugt, dass es auch medizinisch bestens positioniert ist.
"Wenn ich sehe, dass ich Menschen helfen kann, ist das etwas sehr Schönes. Das ist die grösste Zufriedenheit."
Sobald Sie sich im Neubau eingelebt haben, ziehen Sie wieder aus. Ein komisches Gefühl, nicht?
Nein, das weiss ich schon lange, dass es so ist. Ich dachte vor Jahren, dass der Neubau nicht termingerecht übergeben und ich darum das Zügeln nicht erleben würde. Es ist bemerkenswert, dass der Übergabetermin so geblieben ist wie anfangs abgemacht. Ich bin glücklich, dass ich das erleben darf.
Für was finden Sie nun endlich Zeit? Was ist zu kurz gekommen?
Ganz klar die Familie. Sicher auch die Kultur, Konzerte und Theater. Ich bin Opern-Fan und liebe die klassische Musik. Die Kontaktpflege mit Freunden und Bekannten wird nun endlich ein grösseres Gewicht erhalten.
Herr Caduff, herzlichen Dank für das offene und interessante Gespräch. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie viel Gesundheit und alles Gute für die Zukunft.